So geht Framing: Effekt & Theorie
«Wer nicht hören will, muss fühlen» ist Quatsch. Denn wer hört, fühlt automatisch – ob er will oder nicht. Und wer liest, sieht – zumindest vor dem geistigen Auge. Denn um Worte zu begreifen, aktivieren wir Menschen sofort, automatisch und unterbewusst abgespeichertes Wissen über Bewegungen, Gefühle, Gerüche und Visuelles. Wir spielen die Worte quasi nach, um sie zu verstehen.
Wahrgenommene Sprache spannt sogar immer einen ganzen Deutungsrahmen auf. Diesen Deutungsrahmen nennt man «Frame» und den Prozess entsprechend «Framing». Und weil man sich dieses Prozesses bedienen kann, wird Framing im Marketing und in der Politik ganz bewusst zur Steuerung der Wahrnehmung eingesetzt. Da frage ich mich: «Kann uns Framing auch in den Public Affairs nützlich sein?»
Beispiele vom Framing-Effekt
Eines der eindrücklichsten Fachbücher, welches ich in den letzten Monaten gelesen habe, ist «Politisches Framing», von Elisabeth Wehling [i]. Denn obwohl mir der Begriff des Framing bekannt war, erstaunten mich die darin geschilderten Resultate aus der Kognitionsforschung nicht schlecht.
Wehling schildert etliche fast schon unglaubliche Beispiele aus der Forschung, wie Framing unsere Wahrnehmung und sogar unser Handeln beeinflusst.
Ein paar Framing Effekt Beispiele:
Lesen Probanden zum Beispiel, wie jemand die Umwelt durch eine beschlagene Brille sieht, erkennen sie im Anschluss einen Elch auf einem verschwommenen Bild besser, als auf einem klaren.
Hören sie einen Text, in welchem alte Leute vorkommen, laufen sie im Anschluss langsamer davon, als die Vergleichsgruppe mit neutralem Text.
Und wenn in einem sonst identischen Artikel Kriminalität als «wildes Tier» daherkommt, schlagen dessen Leser eher vor, Verbrecher erbarmungslos zu jagen, als wenn von einem «Kriminalitätsvirus» gesprochen wird.
Letzterer Frame bringt Probanden dazu, Lösungsvorschläge wie Armutsbekämpfung oder Bildungsangebote zu bevorzugen. Interessant auch, dass beide Probanden-Gruppen als Begründung ihrer Vorschläge die Kriminalitätsstatistik nannten, die notabene in beiden Texten völlig identisch war. Sie wussten nicht einmal, in welchem Frame sie sich bewegten!
Wir treffen nie rein sachliche Entscheidungen
98 Prozent unseres Denkens passieren unbewusst. Die Tatsache, dass wir trotz dieses Wissens meinen, unsere Entscheidungen in der Regel objektiv und faktenbasiert zu fällen, ist irgendwo zwischen Ignoranz und Überheblichkeit anzusiedeln. Sobald Frames in unseren Köpfen aktiviert sind, bestimmen diese, mit welcher Leichtfertigkeit Informationen aufgenommen werden. Werden wir mit Informationen konfrontiert, die nicht in diesen Frame passen, so weigert sich unser Gehirn, diese abweichende Information als Teil der Realität aufzunehmen. Wir treffen denn auch nie Entscheidungen, indem wir rein sachlich und objektiv Fakten gegeneinander abwägen. Denn diese Fakten müssen in den vorher aktivierten Frame passen – Fakten ohne Frames sind bedeutungslos.
Politisches Framing
Eine Methode, Frames aufzurufen, ist, Metaphern zu benutzen. Dadurch werden abstrakte Ideen an körperliche Erfahrungen angebunden und damit «denkbar» gemacht. Deshalb wird dieses «Metaphoric Mapping» insbesondere in der Politik angewandt, denn politische Ideen sind immer abstrakt. So sprechen wir von Steuerbelastung und Steuererleichterung – und aktivieren damit die Metapher von Steuern als Last und damit als etwas, das negativ empfunden wird.
Framing in Public Affairs anwenden
Auch in der Marketingkommunikation wird darauf geachtet, Produkte unter den besten Rahmenbedingungen darzustellen. Denn längst hat die so genannte Neuroökonomie die Wurzeln menschlicher Entscheidungsfindung fernab des Modells des rational abwägenden Homo oeconomicus erkundet und die Wichtigkeit von Framing erkannt.
Deshalb ist die Margarine 97 Prozent fettfrei und nicht drei Prozent fetthaltig, auch wenn das – rational denkend – auf das genau Gleiche herauskäme.
Erfolgreiche Public Affairs basieren in erster Linie auf guter Kommunikation. Deshalb können die beschriebenen Erkenntnisse aus der Kognitionsforschung auch auf diesen Fachbereich angewendet werden. Hier ein paar Ansatzpunkte:
Im Stakeholder-Management und den Public Relations werden Botschaften in Frames eingeordnet, die die Zielgruppe kennt. Diese Frames werden dann in der Kommunikation aktiviert, mit dem Ziel, dass die Botschaft eher akzeptiert wird.
Issues (zu Deutsch: Themen, Probleme oder Fragestellungen) werden thematisch so komprimiert und definiert, dass für die Stakeholder klare und akzeptable Bezugspunkte aufgebaut werden. «Framing the issue» heisst demnach, Position zu beziehen und aktiv zu bestimmen, worum es bei einer bestimmten Materie geht. Der Wunsch nach mehr staatlichen Forschungsförderungen kann etwa «geframt» werden als «Wachstumsimpuls» [ii].
Im Reputation Management werden allfällige negative Frames, die mit dem Unternehmen in Verbindung gebracht werden, aufgedeckt und zum Beispiel mit Hilfe von Corporate Social Responsibility (CSR) Massnahmen durch positive ersetzt.
Bei der Medienarbeit und insbesondere der Krisenkommunikation schliesslich muss darauf geachtet werden, den von Konkurrenten oder den Medien aufgespannten Frame nicht durch Wiederholen zu festigen. Also nicht «Nein, wir sind keine Umweltverschmutzer» sondern «Wir sind uns unserer Verantwortung gegenüber der Umwelt sehr wohl bewusst».
Im Bewusstsein, dass Worte viel mehr Wissen und Ideen in unserem Kopf aktivieren, als die meisten von uns meinen, darf Framing in den Public Affairs nicht ausser Acht gelassen werden. Insbesondere der Tatsache, dass Fakten beim Gegenüber nur ankommen, wenn diese in einen vorher aktivierten Frame passen, müssen wir uns stets bewusst sein.
[i] Elisabeth Wehling, «Politisches Framing» (2016)
[ii] Peter Köppl, «Advanced Power Lobbying» (2017)